abseitiges

2012/06/04

Kein Buch fürs stille Örtchen

Zehntausende Deutsche sind um ein Buch reicher geworden: den Koran. Aber wohin mit dem frisch geschenkten Stück? Ins Regal? Neben die Bibel? Für den Umgang mit ihrem wichtigsten Buch haben Muslime ganz bestimmte Regeln. Und nicht nur sie.

Achtungsvoll: Der Koran auf seinem Pult.                                     Foto: Kris Finn
Schön ist er. Sein Einband ist matt und dunkelbraun, sodass sich die goldenen Ornamente elegant von ihm abheben. Spielerisch umranken Blätter und Blüten die Konturen des achteckigen, islamischen Sterns. Darin glänzen in goldenen Lettern die fünf Buchstaben: Qur’an. Zu Zehntausenden haben die schmalen Büchlein in den vergangenen Wochen den Besitzer gewechselt. Ein Exemplar hat den Weg in unsere Wohngemeinschaft gefunden und liegt nun auf dem Küchentisch.

Hin und wieder nimmt einer der Mitbewohner den schmucken Band zur Hand, blättert darin, liest ein wenig, legt ihn wieder zur Seite. Nach einigen Tagen aber landet der Koran dort, wo alle unsere ausgelesenen Zeitungen und Zeitschriften irgendwann enden: auf dem WG-Sofa. Ich fische ihn unter der Tageszeitung von gestern und einem leeren Pizzakarton hervor. So hatten sich das die Salafisten sicher nicht gedacht. Aber wohin jetzt mit ihm? Ins Bücherregal, womöglich neben die Bibel?

Der Wendehals

Seit er im Alter von neun Jahren nach Israel gekommen ist, hat sich Schaul Mofas nach oben gekämpft. Als orientalischer Jude in einer europäischen Machtelite. Nun wird er als
gebürtiger Iraner vielleicht den Militärschlag gegen sein Herkunftsland befehligen – oder Israel und die Palästinenser versöhnen? Für beides spricht einiges.


„Mofas hat gelernt, dass es immer einen Weg gibt. Wenn nicht durch die Tür, dann durchs Fenster“, schrieb der israelische Kolumnist Ofer Shelah vor einigen Wochen. Ursprünglich meinte er damit wohl den unbedingten Willen des frischgebackenen Oppositionsführers, die Regierung von Premier Benjamin Netanjahu zu Fall zu bringen – so wie Mofas bisher vieles in seinem Leben mit eiserner Disziplin verfolgt hat: wie er zum Israeli wurde, dann zum Soldaten und dann zu einem von ihnen, den mächtigen Männern in Israel. Shelah hat sich sicher nicht ausmalen können, um wie viel zutreffender seine Worte nur wenige Tage später sein würden, als Mofas Benjamin Netanjahu zum stärksten Ministerpräsidenten Israels seit Staatsgründer David Ben Gurion und sich selbst zum Vize-Premier macht.

Mofas’ Karriere ist damit an ihrem bisher höchsten Punkt angelangt. Aber kann er mehr sein als der Königsmacher? Israel steht im Frühsommer 2012 an einem kritischen Punkt. Ein Militärschlag gegen den Iran liegt in der Luft. Das warme Wetter wird die jungen Demonstranten zurück auf die Straße holen, die die Gräben zwischen säkularer und religiöser Gesellschaft hervortreten lassen. Schließlich der Siedlungsbau: Während die Regierung behauptet, keinen Ansprechpartner bei den Palästinensern zu haben, ist man im Hintergrund dabei, weite Teile des Westjordanlandes mit illegalen Outposts zu zerstückeln – eine Strategie, die von den Palästinensern nur als Provokation empfunden werden kann.