abseitiges

2012/09/18

Men in Black

Seit Anfang August sind ultraorthodoxe Juden nicht mehr vom israelischen Wehrdienst befreit. Die Probleme, welche die Integration der 54000 Strenggläubigen in die säkulare Armee bereiten wird, offenbaren Israels Kampf um seine Identität. 



Keine Stadt Israels ist am Schabbat so ruhig wie das jüdische Jerusalem. Die geöffneten Restaurants lassen sich an einer Hand abzählen. Anstelle von Autos promenieren auf den Straßen Frauen mit Kinderwagen und Kleinkindern an der Hand. Busse fahren nicht. Wer schneller vorankommen will als zu Fuß, muss hoffen, eins der wenigen Taxis zu ergattern. Von Freitag- bis Sonnabendabend ist die Stadt lahmgelegt – ganz nach den Vorstellungen der dort lebenden Bevölkerungsmehrheit, den ultraorthodoxen und streng traditionellen Juden.

Wer sich am Schabbat mit dem Auto in eins der vielen orthodoxen Viertel verirrt, muss damit rechnen, beschimpft oder gar angegriffen zu werden. Die säkularen Israelis erleben die lähmende Stille deswegen nicht selten als Einschränkung ihrer Lebensqualität. „Anderswo, in Tel Aviv und Haifa kann ich mich viel freier fühlen. Jerusalem ist für uns Säkulare manchmal wie ein Gefängnis“, sagt Ran Grosman, der an der Hebräischen Universität Soziologie studiert. Seine Familie hat ihn orthodox erzogen. Am Schabbat verzichtet sie auf Elektrizität, sie lässt Autos, Handys und Fernseher ausgeschaltet. Das Essen für das Wochenende steht vorgekocht auf dem Herd. Grosman hat sich gegen das orthodoxe Leben entschieden. In seinem Studium beschäftigt er sich mit Gendertheorie, Feminismus und Geschlechtergleichheit. „Und das ausgerechnet in Jerusalem, wo eher das Mittelalter zurückzukehren scheint.“