abseitiges

2012/05/07

»Deutschland bremst die Sanktionen«

Deutschland ist Irans wichtigster westlicher Handelspartner – auch nach den harten Sanktionen vom Januar. Sollte das Regime die Bombe bekommen, ist das auch die Schuld der Handelspartner, die den Iran weiter mit Hightech versorgen, sagt Michael Spaney vom Berliner Mideast Freedom Forum und der Kampagne „Stop the Bomb“.

Michael Spaney ist TV-Journalist und Vorsitzender des Mideast Freedom
Forum Berlin und Sprecher der Kampagne „Stop the Bomb“. (Foto:Seidel)
Der israelische Generalstabschef Benny Gantz hat erklärt, dass nach seinen Informationen der Iran noch nicht entschieden habe, die Atombombe zu bauen. Wirken die Sanktionen also?
Nein. Der Iran hat nicht damit aufgehört, die drei Sektoren, die zu der Entwicklung einer Atombombe nötig sind, voranzutreiben: die Urananreicherung, die Herstellung eines Sprengkopfes und der Rakete, die diesen Sprengkopf dann ins Ziel bringt. In allen drei Bereichen sieht die Internationale Atomenergiebehörde IAEO Verstöße. Die Sprache der Berichte aus November und Februar ist sehr vorsichtig, aber die politische Einschätzung, die daraus folgt, ist eindeutig: Der Iran arbeitet an einem Atomwaffenprogramm. Die Äußerungen von Benny Gantz oder auch dem US-Geheimdienst sind kein ausreichendes Argument dagegen. Denn das Regime kann die Entwicklung in den drei separaten Bereichen so weit vorantreiben, dass der letzte Schritt, der Bau der Bombe, am Ende relativ schnell geht.

Bisher soll der Iran nur Uran besitzen, das auf 20 Prozent angereichert ist. Für eine Bombe braucht man aber mindestens 80 Prozent.

Der größere Schritt ist allerdings der Anreicherung von 3,5 Prozent auf 20 Prozent. Denn ist das Regime erst einmal im Besitz der Technik, kann mit der Anreicherung auf waffenfähiges Uran fortgefahren werden. Damit ist man schon mehr als 75 Prozent des Weges gegangen. Olli Heinonen, ein früherer IAEO-Beauftragter, sagt sogar, dass man Iran noch nicht einmal die Anreicherung auf 3,5 Prozent, was für Kernkraftwerke benötigt wird, erlauben soll.

20-prozentiges Uran benötigt man ja beispielsweise für medizinische Behandlungen gegen Krebs. Ist es denn völlig ausgeschlossen, dass der Iran ein ausschließlich ziviles Atomprogramm aufbaut.

Die Frage ist doch, warum das Land mit dem weltweit viertgrößten Vorhaben an Öl und dem zweitgrößten an Gas, Energie aus Kernkraft gewinnen will. Man könnte sich einfach ein Gaskraftwerk hinstellen – oder zumindest Brennstäbe aus Russland kaufen. Selbst anzureichern ist ein unverhältnismäßig großer Aufwand. Wenn man sich ein Auto kaufen will, baut man ja auch keine Raffinerie und ein Stahlwerk.

Die letzte Sanktionsrunde vom Januar wurde als außerordentlich streng gelobt. Am 1. Juli tritt das Ölembargo in Kraft, außerdem dürfen keine petrochemischen Maschinen mehr geliefert werden. Darüber hinaus wird die iranische Zentralbank streng kontrolliert. Was gäbe es denn noch für Hebel, die die EU ziehen könnte? Es gäbe noch einigen Spielraum. Man müsste IranAir verbieten, in Europa zu landen. Man müsste die Sanktionen auf den Hightech-Sektor ausbreiten, auf dem Deutschland noch starke Beziehungen mit dem Iran aufrecht erhält. Und man müsste es machen wie die Amerikaner, die jene Firmen, die mit dem Iran weiterhin Geschäfte machen, den Zugang zum eigenen Markt verbieten. Zuletzt sind die Konten der Zentralbank zwar eingefroren worden, sogenannter legitimer Verkehr wird aber weiterhin erlaubt.

Ist das Ölembargo denn überhaupt so wirkungsvoll? Immerhin werden nur maximal 25 Prozent des iranischen Öls nach Europa geliefert, zwei Drittel gehen an asiatische Länder, die sich nicht an dem Embargo beteiligen.
Das stimmt so nicht ganz. Indien, Japan und China haben sich bereits bewegt. Mit dem drohenden Embargo haben sie ein Druckmittel, um die Preise zu senken. Gleichzeitig haben sie zwischen zehn und 20 Prozent Ölimport reduziert. Zusammen mit den 25 Prozent der Europäer kann das die iranische Wirtschaft empfindlich treffen. Schon jetzt liegen viele volle Öltanker im Golf von Hormus, die nirgendwo hinfahren. Denn aufgrund des amerikanischen Drucks haben sich außerdem einige Versicherungskonzerne zurückgezogen, die diese Schiffsladungen versichern. Das sind Firmen, die auf dem US-Markt präsent sein wollen.

Deutschland ist der wichtigste westliche Handelspartner des Iran. Wirkt sich das auch auf die politische Rolle aus?
Der Handel mit dem Iran in den letzten Jahren einen Exportumfang von etwa 4 Milliarden Euro. Beteiligt sind daran viele große Namen wie BASF oder Bayer. Erst Ende April waren wieder einige deutsche Firmen auf der Ölmesse „Iran Oil Show“ vertreten. Bemerkenswert ist, dass dieser Umsatz im Zuge der Sanktionen gerade einmal um 18 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro in 2011 gesunken ist. Auf der politischen Ebene bremst Deutschland und hat bei vergangenen Verhandlungen versucht, EU-Sanktionen abzuschwächen. Bis zum Juli 2010 fuhr die Bundesregierung die Linie der freiwilligen Zurückhaltung durch die Unternehmen – bis man nicht mehr umhin kam, mit den anderen Ländern gleichzuziehen. Eine andere sehr große Geschichte ist die Europäisch-Iranische Handelsbank, die als Eigentum des iranischen Regimes mitten in Hamburg tätig sein konnte. Erst als diese Bank die Abwicklung des gesamten indisch-iranischen Ölgeschäfts übernehmen sollte, geriet das in die Schlagzeilen und wurde 2011 sanktioniert.

Zwei Drittel der iranischen Industrie ist mit deutschen Maschinen ausgestattet, sagt Michael Tockuss, der Geschäftsführer der deutsch-iranischen Handelskammer. Trägt die deutsche Wirtschaft auch zum Atomprogramm des Iran bei?

Das ist schwer zu sagen. Zwar schließen die Sanktionen Güter aus, die auch zum Bau von Atomwaffen oder Anreicherungsanlagen verwendet werden können, aber es kann trotzdem nicht völlig ausgeschlossen werden. Man nehme die Firma Herrenknecht, die Tunnelbohrmaschinen in den Iran geliefert hat. Wer garantiert, dass diese Maschine wirklich einen U-Bahn-Schacht gräbt oder nicht doch ein Uranversteck in den Bergen? Man darf nicht vergessen, dass es im Iran praktisch keine Privatwirtschaft gibt.

Die Kampagne „Stop the Bomb“ fährt die Strategie, Aktienpakete von Handelspartnern des Iran zu kaufen und auf den Aktionärsversammlungen zu sprechen. Reagieren die Firmen darauf?
Eines unserer Hauptziele war in den letzten Jahren Siemens. Das Unternehmen hält den größten Anteil des deutschen Iran-Geschäfts, nämlich um die 450 Millionen Euro. Bei Siemens waren wir 2009 erstmals auf der Vollversammlung. Es ist eine sehr wirkungsvolle Kampagne, weil die Firmen die Öffentlichkeit fürchten. Vorstandschef Peter Löscher musste mir gegenüber zugeben, eine Spionage-Software über die Tochterfirma Nokia Siemens Notwerks ans iranische Innenministerium geliefert zu haben. Mit dieser Software kann man Bewegungsprofile von Menschen erstellen und so etwa die iranische Opposition ausspionieren. Unsere Proteste haben dann dazu geführt, dass Siemens 2010 ankündigte, bis Mitte jenes Jahres aus den Neugeschäften mit dem Iran zurückzutreten. Leider sind daraufhin die Umsätze erst einmal in die Höhe geschossen, weil Siemens bis zum Sommer noch viele Verträge unter Dach und Fach gebracht hat.

Im März hat die Internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen eine Studie veröffentlicht, in der 300 Banken und Versicherungen in 30 Ländern ausgewiesen werden, die das Geld ihrer Anleger in Firmen investieren, die Atomwaffen bauen. Dazu zählen die Allianz, die Deutsche Bank und die Commerzbank. Warum konzentrieren Sie sich nur auf den Iran?

Die Folge einer iranischen Atombombe wäre eine Bedrohung, die es in der Welt noch nicht gegeben hat. Die Grundlage des Friedens unserer Zeit, der Atomwaffensperrvertrag, wäre das Papier nicht mehr wert, auf dem er gedruckt wurde, weil andere Staaten sofort nachrüsten würden. Saudi-Arabien hat bereits angekündigt, ein eigenes Programm zu starten, würde Iran die Bombe bekommen. Eine andere Gefahr wäre die Weitergabe an terroristische Gruppen. Schon jetzt besitzt die Hizbollah etwa 50 000 Raketen, und regelmäßig wird Israel aus dem Gazastreifen beschossen. Was gäbe es noch für einen Spielraum, hätten diese Gruppen einen atomaren Iran im Hintergrund? Das wäre auch das sichere Ende des Nahost-Friedensprozesses.

Das hört sich so an, als würden Sie eine militärische Option gegenüber dem Iran nicht ausschließen?

Wir stehen mit unserer Kampagne für harte Sanktionen und befürworten, dass die militärische Option als Druckmittel auf dem Tisch bleibt. Noch ist Zeit für Sanktionen, wenn sie ernsthaft betrieben werden. Sollten Israel oder die USA dennoch gezwungen sein, den Iran anzugreifen, dann auch wegen der Zögerlichkeit der Europäer.

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