abseitiges

2012/03/12

»Wir sind die legitimen Vertreter Syriens«

Ein Interview mit dem Berliner Grünen-Politiker Ferhad Ahma. Ahma gehört dem syrischen Nationalrat an. Er ist vor 15 Jahren aus Syrien geflüchtet und kämpft nun darum, wieder zurückzukommen – als demokratischer Vertreter seines Landes.

Bisher hat sich der syrische Nationalrat für friedliche Demonstrationen stark gemacht. Anfang März wurde dann ein Militärbüro für den Kontakt zur Freien Syrischen Armee eingerichtet, außerdem fordern Vertreter die Bewaffnung der Revolutionäre. Ist das eine Kehrtwende?
Wir lehnen bewaffnete Bodentruppen weiterhin ab, aber wir fordern die internationale Staatengemeinschaft auf, jede Möglichkeit zu diskutieren, die die Zivilbevölkerung schützen könnte – seien es humanitäre Korridore oder Schutzzonen. Der Nationalrat hat sich nur entschlossen, die Verantwortung für die bis zu 20000 desertierten Soldaten zu übernehmen, die sich in der Freien Syrischen Armee zusammengeschlossen haben. Wir passen auf, dass sie nicht auf eigene Faust handeln, und wir beschützen ihre Familien. All diese Maßnahmen dienen nur den Schutz der Zivilbevölkerung.

Und auch dazu, den Einfluss von Islamisten und Jihadisten wie Al-Qaida einzudämmen? Die jüngsten Bombenattentate in Damaskus und Aleppo sollen ihre Handschrift tragen.
Bisher haben sich in Syrien noch keine Al-Qaida-Truppen als solche zu erkennen gegeben. Aber allein durch die lange Grenze mit dem Irak können wir nicht ausschließen, dass Islamisten nach Syrien gekommen sind. Auch in Tunesien, Libyen und Ägypten haben sie versucht, sich einzuschleichen. Dabei haben die Aufstände gezeigt, dass ihre Ideologie nicht akzeptiert wird. Die Menschen haben nicht den Weg der Bombe, sondern den Weg der Straße gewählt. Die Revolution ist eine Niederlage für die Jihadisten.

Deutsche Oppositionelle, Frankreich und die Türkei fordern jetzt offen die Einrichtung einer Schutzzone. Dazu müsste jedoch die syrische Luftwaffe ausgeschaltet werden – und die ist mehr als dreimal so stark wie in Libyen. Ist eine solche Maßnahme also überhaupt durchzuführen?
All dies sind nur Gespräche, keine Handlungen. Korridore, Schutzzonen und die Bewaffnung der Opposition sind für uns nur die zweitbesten Lösungen. Das beste, was passieren könnte, wäre, dass China und Russland Assad endlich unter Druck setzen. Aber bisher passiert nichts. Auch der Besuch von Kofi Annan hat kein Ziel, und mit jedem Tag nimmt das Leid zu. Ich bin da wirklich nicht optimistisch.

Ende März wollen sich die Freunde Syriens, eine Gruppe von mehr als 60 Staaten und Organisationen, in der Türkei treffen. Was sind die Erwartungen des syrischen Nationalrats?
Bisher hat uns die Staatengemeinschaft als Repräsentanten derjenigen anerkannt, die nach einem demokratischen Syrien streben. Wir wollen als legitime Vertreter des ganzen Landes anerkannt werden. Diplomatische Beziehungen sollen abgebrochen, die Botschafter ausgewiesen werden.

Mittwochabend hat sich das erste Regierungsmitglied, Vize-Ölminister Abdo Hossam al-Din, von Assad abgewendet. Ist das ein sicheres Zeichen für das Zerbrechen des Regimes?
Hossam al-Din war eine wichtige Figur in einem wichtigen Ministerium. Allerdings gibt es schon seit Längerem Anzeichen dafür, dass sich Leute aus den höheren Etagen gegen Assad wenden. Seit Monaten hat man von einigen Ministern nichts mehr gehört. Man vermutet, dass ihre Familien werden bedroht, damit sie das Land nicht verlassen – so wie es bei Hossam al-Din gemacht wurde.

Auch Sie wurden als Oppositionsmitglied im Dezember von Regimeanhängern angegriffen und in Ihrer Wohnung niedergeschlagen. Sind Sie seitdem sicher?
Mir ist nichts mehr passiert. Es war die richtige Entscheidung, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, das hat mir einen bestimmten Schutz gegeben.

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