abseitiges

2011/07/31

Ein Haus für Tutanchamuns Campingbett

Die Tage des Ägyptischen Museums am Tahrir-Platz sind gezählt. Gegenüber der Cheopspyramide am Rande Kairos entsteht das 550 Millionen Euro teure Grand Egyptian Museum.



Die Augen des Pharaos liegen in der Petrischale und blicken in die Linse des Mikroskops. Ein vorsichtig geführter Q-Tip befreit sie vom Dreck der letzten Jahrtausende, legt die bronzenen Lider frei, die Bindehaut aus Elfenbein, die Iris aus Quarzit. Die Augen gehören in eine goldene Maske, und diese wiederum ist eins von 11000 altägyptischen Kunstwerken, die derzeit am Fuße der Pyramiden von Giza aufgearbeitet werden.

Vor der Cheopspyramide weht ein heißer Wind. Kamele dösen in der Hitze, ihre Besitzer umringen die wenigen Touristen, die derzeit das Weltwunder besuchen. Am Rande des Plateaus beginnen die Ausläufer einer riesigen Baustelle. Hier entsteht derzeit auf einem Gelände von fast 500000 Quadratmetern ein gigantisches Museumsprojekt. Das Grand Egyptian Museum soll im März 2015 eröffnet werden – „inshallah“, mit Gottes Hilfe, wie die Ägypter stets hinzufügen. Denn nach dem politischen Umsturz im Januar stehen viele Großprojekte Ägyptens vor einer unsicheren Zukunft.


Hochsicherheitstrakt
neben den Pyramiden von Giza

Vom Grand Egyptian Museum steht bisher nur das Konservierungszentrum. Nach der Fertigstellung soll hier die weltweit größte Sammlung altägyptischer Kunstwerke liegen – und entsprechend hoch sind die Sicherheitsvorkehrungen. Drei Stahltore müssen passiert werden, um zu seinem Eingang zu gelangen. Kameras beobachten jeden Schritt der Besucher. Der gesamte Bau liegt zehn Meter unterhalb der Straßenebene, und seine Flachdächer sind mit Sand bedeckt – damit die Gebäude aus der Luft nicht zu erkennen sind.

Im Gebäude reiht sich Labor an Labor, sodass man leicht die Orientierung verliert. Erst eins für Artefakte aus Holz, dann eins für Stücke aus Stein – natürlich mit der allerneusten Technik. Mohammed Saleh, der archäologischen Leiter, schwelgt in Superlativen. „15000 Bewerber haben ihre Entwürfe bei der Ausschreibung des 550 Millionen US-Dollar teuren Museumsbaus eingereicht“, erläutert Saleh. Gewonnen hat ein irisches Büro mit chinesischen Wurzeln, die Architekten Heneghan Peng aus Dublin.

Das Herzstück der neuen Ausstellung wird der Schatz von Tutanchamun sein – der einzige, der jemals komplett gefunden wurde. Die 3500 Stücke aus der Grabkammer des Tals der Könige in Luxor bilden ein „Museum im Museum“, einen eigenen Ausstellungsraum, der über eine Brücke erreicht wird. Zu den Ausstellungsstücken gehören die goldenen Sarkophage, die wie Babuschka-Puppen ineinanderpassen, das Spielzeug des jung gestorbenen Pharaos, seine Puppen, sein Campingbett und Kisten voll Schmuck. „Endlich wird alles den Platz bekommen, den es verdient“, sagt Saleh.

120000 Exponate in
unterirdischen Lagern

Er weiß, wovon er spricht. Bis 2004 war der Archäologe Leiter des Ägyptischen Museums am Tahrir-Platz, aus dem viele Stücke nun nach Giza gebracht werden. In dem alten Museum werden nur einige ausgewählte Werke zurückbleiben. Für 35000 Ausstellungsstücke war der rosafarbene Alabasterbau bei seiner Eröffnung 1902 ausgelegt. Mittlerweile sollen sich mehr als 120000 Exponate in den Sälen und dem unterirdischen Lager drängen.

Nicht nur die prunkvolle Fassade erinnert hier an das frühe 20. Jahrhundert. Auch drinnen ist die Zeit stehen geblieben. Die weltweit größte Sammlung pharaonischer Geschichte präsentiert sich in altersschwachen Holzvitrinen. Hinweisschilder sind handgeschrieben, und viele Statuen glänzen speckig von den Händen, die sie berührt haben. Zwar hat man derzeit die Ausstellung quasi für sich allein, aber die ungeordnete Fülle, mit der sie daher kommt, meint einen zu erschlagen.

Und noch etwas fällt auf: Es riecht nach Farbe. Erst vor Tagen haben die Wärter die letzten Spuren der Einbrecher beseitigt, die während der ägyptischen Revolution ins Museum eindrangen. Der Tahrir-Platz, das Herz der ägyptischen Freiheitsbewegung, liegt direkt vor der Tür. Vor den Toren verkaufen Händler T-Shirts mit Schriftzügen wie „The day we changed Egypt, 25th of January“ und „Tahrir, Freedom, Facebook“. Die Revolution ist längst auch zum kommerziellen Ereignis geworden.

Kurz nach den ersten Protesten, in der Nacht des 28. Januars, brachen Diebe durch die Oberlichter in das Museum ein. Sie zertrümmerten Vitrinen, rissen Exponate heraus, die sie für Gold hielten, zertrennten Mumien auf der Suche nach einer mysteriösen Substanz, die rotes Quecksilber genannt wird. Auch die Tutanchamun-Sammlung traf es. Von einer Statue, die den jungen Pharao bei der Jagd auf einer Barke zeigt, blieben nur die Füße und das Boot im Museum zurück.

Die lädierte Figur ist mittlerweile zurückgekehrt – auf welchem Wege, hält das ägyptische Antikenministerium geheim. „Nur 31 Stücke fehlen noch“, bekräftigt der Zahi Hawass, Archäologie und immer mal wieder Antikenminister Ägyptens. Zweimal hat er diesen Posten schon angetreten und wurde zuletzt am 17. Juli einmal mehr abberufen.

„Wir sind ja nicht
die Piraten der Karibik

Er wolle der Welt zeigen, wie sicher Ägypten sei, meint Hawass. „Wir sind ja nicht die Piraten der Karibik.“ Für die Zukunft habe man Vorkehrungen getroffen. Seit dem 1. Juli bekommen die Museumswärter mehr Lohn – 300 ägyptische Pfund, knapp 35 Euro –, eine Waffe und die dazugehörige Ausbildung. 12000 Antikenwärter im ganzen Land hat Hawass bewaffnen lassen.

Wenn das neue Museum steht und es nach Hawass geht, sollen sechs der wichtigsten Stücke der ägyptischen Kultur ins Land zurückkehren. Er blickt die anwesenden deutschen Journalisten direkt an. Der Rosettastein gehört dazu – und natürlich die Nofretete, die Hawass seit Jahren von der Berliner Museumsverwaltung zurückfordert. Wenn das so ist, scheint sich manch einer der Anwesenden zu denken, können sich die Ägypter mit dem Bau ihres Megamuseums ruhig noch etwas Zeit lassen. Inshallah.

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