abseitiges

2011/07/28

"Mit Facebock und Twitter erreichen wir nicht die, auf die es ankommt"

Interview mit Ihab Hassan, 24 Jahre alt, Journalist und Autor des Transit-Blogs des Goethe-Insituts Kairo

F: In Ägypten demonstrieren so viele Menschen wie seit dem Frühjahr nicht mehr. Viel Blogger in der arabischen Welt warten schon länger auf eine zweite Revolution. Hat sie nun begonnen?
A: Es ist keine zweite Revolution, nur einer zweite Welle. Der Druck auf die Militärregierung wird weiter hoch gehalten. Wir bekommen keine Demokratie, wenn wir zuhause bleiben.

F: Nach dem 25. Januar hat die ägyptische Revolution nun einen zweiten symbolischen Tag, den 8. Juli, an dem landesweit Millionen friedlich auf die Straße gingen. Wie hat sich die Bewegung zwischen diesen beiden Tagen verändert?
A: Es sind etwa 300 Bewegungen und 50 Parteien entstanden, Zeitungen wurden gegründet und Koalitionen geschmiedet. Der Stellenwert der Leute auf der Straße gegenüber der Politik hat zugenommen. Das sieht man schon daran, dass die Revolutionäre Jugendkoalition auf einer Pressekonferenz auch Ministerpräsident Sharaf zu der Demonstration eingeladen hat.

F: Dabei war gerade in den letzten Wochen die Kritik an den Demonstranten immer stärker geworden. Es hieß, sie seien nur auf Krawalle aus, es gäbe kein Ansprechpartner.
A: Die vielen Bewegungen haben sich in den letzten Wochen zerstritten über politische Details – allen voran über die Frage, ob es zuerst eine neue Verfassung oder Wahlen geben soll. Ging man auf den Tahrir-Platz, hörte man an jeder Ecke eine andere Meinung. Die neuen Demonstrationen stehen unter dem neuen Slogan „Revolution zuerst“ und hat die menschen wieder zusammen gebracht. Der 8. Juli hat die Bewegung vielleicht gerettet.

F: Viele Forderungen der Demonstranten betreffen die Militärregierung und den Polizeiapparat. Habt ihr keine Angst vor den Konsequenzen?
A: Es ist auffällig, wie frei die Menschen nun die Regierung und die Militärgerichte kritisieren. Vor ein paar Wochen war das noch anders. Viele junge Leute sind im Mai und Juni festgenommen worden. Das Militär war ein schwieriges Thema, eine rote Linie, über die man nicht übertreten durfte. Auch ich habe es auf meinem Blog nicht direkt angegriffen.

F: Wie organisiert ihr Demonstranten und Blogger euch?
A: Unser wichtigstes Instrument ist Twitter. Es gibt einige bekannte Aktivisten, deren Nachrichten bis zu 80000 Menschen verfolgen. Wir haben schon zwei Tage organisiert, an denen sich Blogger kritisch mit den Militärgerichten und der Militärregierung befasst haben. Aber insgesamt steckt der Journalismus hier noch in den Kinderschuhen. Die Trennung von Nachricht und Meinung war kaum bekannt vor der Revolution.

F: Lange sah es so aus, als würden Islamisten versuchen, die Revolution zu kapern. Nun aber haben sie sich zurückgezogen. Wie kommt es dazu?
A: Erst am Dienstag wurde Sheich Safwat Hegazy, ein führender Hetzprediger der Muslimbrüder, vom Tahrir-Platz verwiesen, weil sich die Partei der Muslimbrüder schon länger gegen die Revolution stellt. Ihr einziges Ziel ist, viele Stimmen bei den Wahlen im September zu holen. Dazu stellen sie sich mit der Militärregierung gut, ebenso wie sie es vorher mit den Demonstranten getan haben.

F: Gerade am Einfluss der Islamisten zeigt sich, wie weit der Weg zu einer Demokratie für Ägypten noch ist. Wie will sich die Facebook-Generation einbringen?
A: Schon in diesem Namen liegt das Problem. Wir müssen erkennen, dass wir mit Facebook und Twitter nicht die erreichen werden, auf die es ankommt. Die Demonstranten aber auch die Regierung haben bisher die armen und ungebildeten Ägypter außer Acht gelassen, die nichts von Demokratie verstehen.

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