Muslimische Eltern fürchten sich vor ihnen; für gewaltbereite Jugendliche sind sie ein zu Hause: die Salafisten. Ein Interview mit Rauf Ceylan, Islamwissenschaftler und Professor für islamische Religionspädagogik an der Uni Osnabrück.
Rauf Ceylan (Foto: Pollert) |
Das könnte in der Tat passieren. Bisher gibt es innerhalb der Bewegung drei Strömungen, die einander nicht grün sind: Die Puritaner, die Politischen und die Gewaltbereiten. Sie leben zwar alle drei eine radikale Form des Islam mit einem vormodernen Verständnis von Staat und Gesellschaft, aber sie unterscheiden sich im Sendungsbewusstsein. Während die Puritaner mit ihrem frommen Leben eine Vorbild für andere sein wollen, haben die anderen Strömungen die religiösen Begriffe politisiert und greifen den säkularen Staat an. Wenn aber die aktuelle Debatte dazu führt, dass jeder Muslim mit Bart als gefährlicher Salafist gesehen wird, könnte das die Gruppen näher zusammenbringen als gewollt.
Wie funktioniert denn die Radikalisierung der Salafisten genau?
Eigentlich genauso wie bei allen extremistischen Gruppen. Die politisierten Salafisten arbeiten daran, Konflikte zu schaffen zwischen ihrer Weltsicht und der Sicht der „anderen“. Ihr Vokabular unterscheidet sich dabei nicht viel von Gruppen wie ProNRW. Es geht um Überfremdungsangst und darum, dass die eigenen Kultur überrannt wird. Sie rufen nicht zu Gewalt auf, aber schaffen die Voraussetzungen dafür. Die wirklich gewaltbereiten Salafisten, die Jihadisten, sind schließlich nur eine Gruppe von wenigen Hundert. Aber dass sie höchst gefährlich sind, zeigen allein acht vereitelte Anschlagsversuche in Deutschland. Davor können auch die etwa 4,2 Millionen Muslime in Deutschland ihre Augen nicht mehr verschließen.